Ausgabe 2/2024

Wie gut ist unser Quartier für einen heissen
Sommer gerüstet? 

Temperaturen weit über der 30-Grad-Marke sind im Sommer auch bei uns keine Seltenheit mehr. Vor allem die Städte heizen sich dann stark auf und machen den Menschen das Leben schwer. Wir haben das Tribschen-Langensand-Quartier auf der Klimakarte betrachtet und uns die wichtigsten Treiber gegen die Sommerhitze.

von Fredy Zurkirchen, Redaktion Tripsche Zytig 

 

Die gute Nachricht zuerst: Viele Bewohner und Bewohnerinnen im Tribschen-Langensand leben auch an heissen Sommertagen und windstillen Sommernächten in einem Quartier mit klimatisch recht angenehmer Aufenthaltsqualität.

 

Das verdanken sie hauptsächlich zwei Faktoren: der Nähe und dem offenen Zugang zum See sowie dem Bireggwald. Beide helfen, unser Quartier abzukühlen. Die im Vergleich zur Luft relativ tiefe Wassertemperatur des Vierwaldstättersees bewirkt, dass es in Seenähe tagsüber weniger warm wird. In der Nacht sinkt die kühlere Waldluft ab und «fliesst» ähnlich wie ein Fluss den Hang hinunter ins Quartier hinein und trägt dort zur Abkühlung bei. Davon profitieren vor allem die Menschen, die in Seenähe oder im hinteren Quartierteil Richtung Langensand leben.

 

An der prallen Sonne wird es überall heiss

Egal ob beim Fussballmatch auf dem Rasen, beim Boulespiel auf dem Kiesplatz oder beim Einkaufsgang entlang der asphaltierten Tribschenstrasse - an der prallen Mittagssonne wird es überall im Quartier heiss. Das ist die schlechte Nachricht.

 

Ein Blick auf die Klimakarte bestätigt: Vergleichsweise kühl bleibt es an heissen Sommertagen nur entlang des Alpenquais, auf der Ufschötti und Teilen der Warteggrippe, entlang des Tribschenhorns sowie südlich des Geissensteinrings, auf dem Weinbergliweg und im Bireggwald. Diese stellen für uns untertags wichtige Rückzugsorte dar. «Schatten ist mitunter das effektivste Mittel für eine angenehme Aufenthaltsqualität», bestätigt Mirjam Luder, Projektleiterin Klimaanpassung der Stadt Luzern. «Das muss nicht zwingend nur der Schatten von Bäumen sein. Auch der Gebäudeschatten reduziert die Aufwärmung und verbessert das Aufenthaltsklima.»

 

Hitzemässig am exponiertesten ist der vordere, citynahe Quartierteil. Im dicht überbauten und stark versiegelten Tribschen- und Unterlachengebiet heizt die Sonne die langen Gebäudefassaden aus Beton, Metall und Glas und die grossen Asphaltflächen stark auf. Dazu kommt die Abwärme durch Verkehr und Gewerbe. Einige Hotspots entwickeln sich am frühen Nachmittag zu richtigen Glutöfen mit gefühlt über 44°C . Besonders exponiert sind nebst der Rösslimatte, Teile der Bürgen-, Langensand- und Tribschenstrasse sowie grosse Gebiete im Unterlachenquartier.

 

Der grosse Unterschied passiert nachts

Dank seiner Topographie und der relativ lockereren Bebauung wird der östliche Quartierteil in der Nacht stärker durchlüftet und kühlt deshalb gut ab. Vor allem der Hirtenhof und Teile im Schönbühl profitieren stark von den nächtlichen Kaltluftprozessen. Anders im Tribschen und Unterlachen: Dort strahlen die tagsüber aufgeheizten Fassaden und Asphaltbeläge in der Nacht die gespeicherte Wärme wieder ab und wärmen damit die Umgebungsluft. Flurwinde aus kühleren Quartierorten wie dem Bireggwald oder der Ufschötti werden wegen der dichten Bauweise blockiert und können nicht einströmen. Deshalb sinkt dort die Temperatur langsamer. Die Klimakarten zeigen, dass die nächtliche Lufttemperatur lokal 4 bis 6°C über dem Umland oder anderen Stadtquartieren liegen kann. Dieser «Wärmeinseleffekt» führt zu häufigeren Tropennächten mit negativen Konsequenzen auf die Schlafqualität und die Gesundheit. Darunter leiden vor allem ältere und kranke Menschen. Für sie kann grosse Hitze sogar lebensbedrohlich sein. 

 

In Zukunft soll es noch wärmer werden

Bis 2060 soll es In der Stadt Luzern um einige Grad wärmer werden. Zudem rechnet man mit mehr Hitzetagen, längeren Trockenphasen und häufigerem Starkregen. Diese Prognosen verlangen nach Ideen und Massnahmen, um der Hitze und Trockenheit entgegenzuwirken.

 

Mehr Grünflächen, mehr Schatten und mehr Wasser

«Mit zu den wirksamsten Massnahmen gegen Hitzeinseln gehören die Erhaltung und Schaffung von Kaltluftabflüssen und Schatten», erklärt Mirjam Luder. «Klimakarten helfen dabei, Gebiete zu identifizieren, wo es mehr Beschattung und Begrünung auf dem Areal braucht. Da auch Kaltluftströme in den Karten abgebildet werden, können diese bei der Planung und Bewilligung von neuen Bauprojekten berücksichtigt werden.»

Mit dem überarbeiteten Bau- und Zonenreglement stünden den Behörden griffige Instrumente zur Reduktion der Hitzebelastung zur Verfügung, meint sie: bspw. Bestimmungen zur Grünflächengestaltung, Vorgaben zur Material- und Farbwahl von Gebäudeoberflächen, zur Stellung von Bauten oder die Verpflichtung zur Begrünung und energetischen Nutzung von Flachdächern. «Man muss aber realistisch sein, ein Grossteil der städtischen Fläche ist bereits bebaut oder wurde zu einer Zeit baubewilligt, als raumklimatische Aspekte kaum eine Rolle spielten. Dort sind unsere Einflussmöglichkeiten gering. Bestehende Gebäude und Anlagen können nicht einfach verschoben oder um ihre Achse gedreht werden. Einfluss haben solche Ergebnisse vor allem auf Projekte, die in fernerer Zukunft realisiert werden, bspw. die Neugestaltung der Tribschenstrasse oder zukünftige Etappen der Rösslimatt-Überbauung.» 

 

KLIMAKARTEN

Klimakarten wurden im Kanton Luzern im 2022 erstellt. Sie enthalten auf Basis komplexer Modellrechnungen flächendeckende Informationen zu Lufttemperaturen, Kaltluftströmen und bioklimatischen Bedingungen am Tag und in der Nacht.

 

Referenzwert ist ein Sommertag mit einer Tageshöchsttemperatur über 25 Grad, mit wolkenlosem Himmel und einem nur sehr schwachen übergelagerten Wind. Diese Wetterlage führt typischerweise zu einer hohen Wärmebelastung für die Stadt und tritt im Sommer etwa alle drei bis vier Tage auf. Die Auswertungen und Messungen beziehen sich auf das bodennahe Niveau; dort also wo sich Menschen normalerweise aufhalten.

Klimakarten helfen, hitzebelastete Gebiete zu identifizieren und konkrete Massnahmen bei Planungen oder Projekten abzuleiten.

 

Wollen Sie mehr über Klimakarten erfahren, oder haben Sie Lust, darin die Aufenthaltsqualität ihres Wohnorts nachzuschlagen?

 

klima.lu.ch/Daten/Klimakarten

 

 

Bäume haben in der Stadt kein einfaches Leben

Auch David Risi, Projektleiter von Stadtgrün Luzern, betont, wie wichtig Bäume und Grünflächen für ein günstiges Stadtklima sind. Neben ihrer Rolle als Schattenspender verdunsteten sie grosse Mengen Wasser und kühlten so die Umgebungsluft, erklärt er. Doch Bäume bräuchten Platz. «Ausreichend Platz und eine gute Qualität des Bodens mit Wasser, Nährstoffen und Luft ist das A und O für gesunde und langlebige Bäume. Gerade letzteres fehlt an stark verdichteten Orten. Zudem konkurrieren die Wurzeln der Stadtbäume im Untergrund vielerorts mit umfangreichen Leitungssystemen oder mit Tiefgaragen um Platz. Das hindert ihre Entwicklung.» Als Beispiel nennt er den Platz vor der CSS-Versicherung, wo Sträucher und Büsche wegen der dünnen Bodenmasse über der Tiefgarage oberflächig in grossen Betontrichtern angepflanzt wurden.

 

Was können wir konkret tun?

Grossflächige Massnahmen zur Verbesserung des Mikroklimas sind in überbautem Siedlungsraum nur schwer realisierbar. Zum knappen Platz kommen vielfältige andere Interessen dazu: Verkehrsflüsse und Erschliessungen, Versorgungsthemen, wirtschaftliche Überlegungen, Schutz von Privateigentum. Selbst Projekte zum Klimaschutz, wie bspw. Tiefbauarbeiten zum Ausbau der Seeenergie können belastend wirken.

«Letztlich wird es wohl die Summe von vielen kleineren Massnahmen ausmachen», meint David Risi. Eine wichtige Rolle spielen dabei die städtischen Entsiegelungsmassnahmen. Indem asphaltierte Flächen voll oder teilweise aufgebrochen werden, wird dem Boden seine natürliche «Schwammfunktion» zurückgegeben. Regenwasser fliesst dann nicht einfach via Kanalisation ab, sondern versickert im Boden und wird dort gespeichert. So steht Wasser für die Verdunstungskühlung zur Verfügung, entweder direkt aus dem Boden oder über die Blätter von Pflanzen. Sickerfähige Beläge können einen Teil des Regenwassers aufnehmen und leisten so auch einen Beitrag gegen Hochwasser.

 

Auch andere Massnahmen wie Fassaden- und Belagsgestaltung (helle Farben absorbieren weniger Hitze!), Dach- und Fassadenbegrünungen oder der Einsatz von stadtklimatisch günstigen Baustoffen wie bspw. Holz oder Naturstein helfen im Kampf gegen die Hitze. Die Stadt übernimmt auf eigenen Grundstücken und Liegenschaften eine Vorreiterrolle. Darüber hinaus braucht es aber auch die privaten Grundeigentümer. Sie müssen mit ins Boot steigen. Ihnen bietet die Stadt nebst kostenloser Beratung auch finanzielle Anreize bei der Realisierung von Massnahmen, die sich positiv auf das Stadtklima auswirken. Aber auch Mieter können aktiv werden, etwa indem sie ihre Balkone begrünen (siehe blaue Spalte auf der Vorderseite).

 

Zwei typische Beispiele von «Petersilien-Architektur». Die spärliche Begrünung vor dem Eingang der Firma Schurter oder an der Rösslimattstrasse entwickelt keinen spürbaren klimatischen Nutzen und dient - wenn überhaupt - rein kosmetischen Zwecken. Fotos Fredy Zurkirchen

 

Besser: Schon die Entsiegelung und Bepflanzung von relativ kleinen Flächen wie hier bei der Bürgenstrasse helfen, das Stadtklima zu verbessern. Pflanzen verdunsten Wasser und kühlen dabei die Umgebung. Das Regenwasser fliesst langsamer ab und wird im Boden zwischengespeichert (Bild links). Die Pflanzung von Bäumen entlang sonnenexponierter Fassaden wie hier beim CSS-Hauptsitz beschatten diese und reduzieren damit deren Aufheizung. (Bild rechts).Mit der Neugestaltung der Tribschenstrasse soll es hier noch deutlich grüner werden. Siehe Artikel. Fotos: Fredy Zurkirchen


«Luzern grünt»

Nebst ihrer Vorbildfunktion bei den eigenen Grundstücken bietet die Stadt seit 1. Dezember 2023 auch zusätzliche finanzielle Anreize für Private, die freiwillig Flächen entsiegeln, Fassaden begrünen oder ihren Garten ökologisch aufwerten wollen. Das Angebot richtet sich vor allem an Liegenschaftsbesitzende, Verwaltungen und Genossenschaften. Aber auch Mieter und Mieterinnen mit einem Garten oder Balkon profitieren. Sie können ausgewählte Wildsträucher bestellen und an den Kursen und Exkursionen von «Luzern grünt» teilnehmen. Alle Infos über das Angebot gibt es auf der Website der Stadt Luzern.

 

luzerngruent.stadtluzern.ch