Ausgabe 2/2024

Johanna, Julia, Loretta - oder doch Simon?

Puppenmutter Heidi Kreis ist seit 1982 eine feste Grösse des Handwerksmarktes auf dem Weinmarkt in Luzern und hat über 1'500 bezaubernde Puppenkinder kreiert.

von Arnhild Rasilier-Walz, Redaktion Tripsche Zytig 

 

Bescheiden, aber mit einem ansteckenden Lächeln und strahlenden Augen steht Heidi Kreis vor ihrem Stand am Luzerner Handwerksmarkt mit den bezaubernden Puppenkindern und lädt mich gleich zum Gespräch ein. Daran hindern sie auch die immer wieder vorbeikommenden Marktbesucher nicht.

 

Frau Kreis, wie kam es dazu, dass Sie solch wunderbare Puppenkinder erschaffen und seit wann?

1978 nahm alles seinen Anfang.  Nachdem meine Kinder etwas grösser wurden, habe ich als Handarbeitslehrerin wieder eine Anstellung als Aushilfe angenommen. Vor gut 45 Jahren gab es einen regelrechten Puppenboom. Seinerzeit wurden Stoffpuppen erstellt und es gab Migros Puppenkurse für «Sasha-Puppen» nach Art von Sasha Morgenthaler.      

 

Wie kam es zu Heidi-Kreis-Puppen und wie unterscheiden sich diese von anderen?

Mir gefielen die Puppen, die die Jugendlichen herstellten, nicht. Sie hatten zu lange Beine und zu dicke Hände. Das Muster von der Schule fand ich unbrauchbar und so habe ich mein eigenes Muster kreiert. Ich verwende ein dehnbares Spezialtrikot und Haare aus Lammfell. Früher hatte ich noch Echthaarperücken verarbeitet, später Mohair-Perücken. Seit vielen Jahren jedoch nähe ich für meine Puppenkinder Perücken aus Lammfell.

 

«Zu meiner grossen
Freude sagten alle Leute – Oh, die sind hübsch!»

 

Wie entsteht ein Puppenkind und woher kommt jeweils der Name?

Nachdem ich die einzelnen Körperteile genäht, mit Bastelwatte ausgestopft und zusammengenäht habe, wähle ich das passende Lammfell und fertige daraus die Perücke. Die Kleider sind schon bereit, um sie nun der fast fertigen Puppe anzuziehen. Zum Schluss male ich als Höhepunkt jeweils das Gesicht. Dieses verleiht jedem Puppenkind seine Einzigartigkeit und danach überlege ich, welcher Name dazu passt. Jedes Puppenkind hat einen individuellen Namen.

Bei Vorführungen an Ausstellungen sind da die jungen Besucher besonders fasziniert. Aufmerksam verfolgen die Kinder das Bemalen des Gesichtes und dürfen danach gemeinsam den Namen der neuen Puppe vorschlagen.

 

Wie lange arbeiten Sie an einer Puppe und was kosten diese?

Inzwischen gibt es die Puppenkinder in zwei verschiedenen Grössen. Für die grossen Puppen (42 cm) brauche ich drei Tage und biete sie für CHF 280 an, Die kleineren (28 cm) mit meist krausem Lammfellhaar kosten CHF 190. 

 

Seit wann sind Sie auf dem Handwerksmarkt in Luzern?

Nun irgendwann hatte ich so viele Puppen kreiert, dass mein Mann Peter mich fragte, was ich mit all den Puppen anfangen wolle. Vor Weihnachten 1982 kam ich also zum ersten Mal mit sieben Puppenkindern auf den

 

Handwerksmarkt und habe alle am ersten Markttag verkauft.

Wie hat sich die Nachfrage entwickelt?

Am Anfang gab es eine extreme Nachfrage. Ich hatte bei einer Vernissage in Zug Puppenkinder im Schaufenster ausgestellt und Interessenten haben ihre Favoriten bereits vorab ausgesucht. Die Puppen werden über Generationen weitergegeben. 

 

Wer kauft Ihre Puppenkinder und haben Sie Stammkunden?

Etwa die Hälfte der Erwachsenen kaufen die Puppenkinder für sich selbst. Es gibt tatsächlich eine Familie, die ca. 40 Puppen gekauft hat und eine eigene Ausstellung in der Wohnung hat oder eine junge ledige Frau, die inzwischen etwa 15 Puppen hat. Touristen schauen, kaufen aber eher wenig. Es ist aber auch schon eine Nachricht aus Amerika eingetroffen, dass die zuvor in Luzern erworbenen Puppen unbedingt noch Geschwister haben möchten. Bei Touristen eher beliebt sind die kleinen «Häslifinken», die in allen Farben angeboten werden und bei meinem Besuch prompt von einem jungen asiatischen Paar gekauft wurden.

 

«Es ist schon eine Anfrage nach Geschwistern für
eine in Luzern gekaufte Puppe aus Amerika
eingetroffen.»

 

Unterscheidet sich das Kaufverhalten von Erwachsenen und Kindern?

Ja, durchaus. Erwachsene können sich schwerer entscheiden. Kinder schauen alle Puppen an und entscheiden aus dem Bauch heraus was sie wollen. So wollte ein Kind ein Baby, das liegt und schläft. Obwohl die Mutter darauf hinwies, dass dieses die Augen zu hat und das Kind doch gar nicht anschaut, war es nicht davon abzubringen.    

 

Gibt es Präferenzen?

Bei Erwachsenen ist es manchmal so, dass die Präferenz sich nach dem eigenen Aussehen richtet. Hat eine Frau selbst rote Haare, sucht sie ein Puppenkind mit roten Haaren für ihr Kind. Oder es kam ein Paar vorbei, das schon zwei Puppenmädchen besass und für diese noch einen Bruder brauchte. In letzter Zeit habe ich einige Buben verkauft; jetzt muss ich neue anfertigen. Insgesamt mache ich aber mehr Mädchen.

 

«Erwachsene können sich schwerer entscheiden.»

 

Gab es Trends im Laufe der Jahrzehnte oder Angebote, die Sie zusätzlich aufgenommen haben?

Was mir gar nicht gefiel war die Zeit, in der Hexen und Clowns gefragt waren. Diese habe ich nicht kreiert und bei Harlekins habe ich nur für gute Bekannte Ausnahmen gemacht. Ab den 90er Jahren bekamen Buben und Babys Mützen und Mädchen Spangen, damit ihre Frisur nicht wie bei einem Clown aussieht. Auch habe ich Pullover und andere Kleider für die Puppenkinder hinzugefügt. Inzwischen werden mir auch immer wieder alte Puppenkinder gebracht, da sich im Laufe der Zeit abgenützt haben. Gerade heute habe ich «Herminchen» zurückerhalten, das ein neues Köpfchen braucht.

 

Was war ihr grösstes Erlebnis?

Dank meinen Puppenkindern wurde ich nach Japan eingeladen. In Kuroiso, etwa 180 km nördlich von Tokio, gibt es die «Nasu Rindoko Family Ranch», ein riesiger Vergnügungspark mit diversen Chalets-Restaurants, kleiner Bergbahn, grossem Bauernhof mit Streichelzoo, Schaukäserei…- alles nach Schweizer Vorbild. Dort wurden auch immer wieder Folkloregruppen aus der Schweiz eingeflogen. Ich durfte dort im Jahre 1989 während drei Wochen Puppen in Schweizer Tracht kreieren und verkaufen. Ein einmaliges Erlebnis.

 

Bleibt als Puppenmutter Zeit für andere Aktivitäten?

Am Geissensteinring habe ich seit 20 Jahren einen Farngarten mit über 100 in- und ausländischen Exemplaren. Das gibt viel Arbeit, ist aber für mich ein weiteres grosses Hobby. Neben meinen beiden Kindern habe ich zudem Enkel und inzwischen ein Urgrosskind.

 

Gibt es ausser dem Besuch auf dem Handwerksmarkt Luzern eine Möglichkeit, Ihre faszinierenden Puppenkinder zu bestaunen?

Mein Sohn hat mir in der Tat eine Homepage erstellt. Auf www.puppenkinder.li können Sie diese Unikate mit individuellen Namen finden und mich natürlich auch kontaktieren.

 

Herzlichen Dank für das spontane, aufschlussreiche Gespräch und ich hoffe, Sie und Ihre Kunstwerke bleiben uns noch viele Jahre erhalten.