Ausgabe 2/2024

Happy Birthday, liebes Treibhaus!

Das Gebäude am Spelteriniweg fällt auf – nicht nur wegen seiner Farbe: lindengrün. Es ist ein Haus des Wandels und der jungen Generationen, die Kultur erschaffen. Dieses Jahr feiert das Treibhaus seinen 20. Geburtstag. Sein Ursprung reicht aber viel weiter zurück.

von Fredy Zurkirchen, Redaktion Tripsche Zytig 

 

Die Geschichte des Jugendkulturhauses im Schnelldurchlauf

Begonnen hat es vor über 50 Jahren. 1971 war die «Teestube» das erste Jugendzentrum der Stadt Luzern. Aber das Haus am St.-Karli-Quai kämpfte mit Schwierigkeiten. Personelle, organisatorische und räumliche Engpässe führten dazu, dass sich Schliessungen und Wiedereröffnungen regelmässig ablösten. Letztlich wurde es dort definitiv zu eng und eine bessere Lösung musste her.

 

1998 beschloss das Stadtparlament, ein Jugendhaus im Tribschen zu eröffnen. Dazu wurde das Zivilschutzgebäude an der Werkhofstrasse 11 in das Jugend- und Freizeithaus «Wärchhof» umgebaut. Am Umbau beteiligten sich auch Jugendliche mit vielen Stunden Fronarbeit. Das Herzstück war die «Beiz» und ein daran angrenzender Veranstaltungsraum. Getragen wurde das Jugendhaus von einem privaten Verein. Die Stadt hatte mit diesem einen Leistungsauftrag und unterstützte finanziell.

 

Nebst Jugendtreffpunkt entwickelte sich der «Wärchhof» zu einem kulturellen Schmelztiegel, der Jugendlichen und jungen Erwachsenen Raum für Experimente bot. Aus solchen Initiativen heraus entwickelten sich einige erfolgreiche Formate, die bis heute weiterbestehen: so das Comic-Festival «Fumetto», der Musikwettbewerb «Sprungfeder» oder die Innerschweizer Filmtage (heute: Upcoming Filmmakers - Schweizer Jungfilmfestival Luzern).

Es gab auch Probleme: Diskussionen über die Finanzierung, Gewalt, aggressive Jugendliche, zeitweise gesunkene Besuchszahlen. Der «Wärchhof» aber schaffte es, sich immer wieder neu zu erfinden und zu behaupten.

 

Nach 25 Betriebsjahren war dann definitiv Schluss. Ende 2003 musste das Jugendhaus der Wohnüberbauung «Tribschenstadt» weichen und wurde abgerissen. Bereits zuvor hatte sich der Trägerverein aufgelöst, so dass die Stadt 2001 die Trägerschaft übernahm und bis heute innehat.

Als das neue Jugendkulturzentrum Treibhaus 2004 neben dem Rasen des FC Kickers eröffnet wurde, war es ein nackter Betonklotz in einem leeren Umfeld. Viele trauerten dem alten «Wärchhof» nach. Inzwischen hat sich vieles verändert: hinter dem Haus gibt es einen gepflegten Gemüsegarten, auf dem Kiesplatz ist eine gemütliche Gartenbeiz entstanden und dank neuer Treppe konnte eine Verbindung zum Theater Pavillon realisiert werden. Seit 20 Jahren prägt das Treibhaus die Jugend-Kulturlandschaft Luzerns und lebt den Geist des alten «Wärchhofs» weiter.

 

Weit über hundert Mitwirkende

Klickt man im Menü der Treibhaus-Website auf «Team», so schauen einem über hundert Gesichter an, ganz genau sind es derzeit 125. Jedes gehört zu einem Jugendlichen, der in irgendeiner Form am Programm des Jugendkulturhauses und in einer der vielen Arbeitsgruppen mit teils skurrilen Namen mitwirkt: FE:IN, Disco Flomi, Jam Jungle, Milchbar, tourdefrigo. Ich gebe zu, …einem Jung-Sechziger wie mir kommen diese Wortkreationen nur schwer über die Lippen, …von verstehen schon gar keine Spur. 

 

Ich denke, wie mir geht es noch anderen Quartier-Bewohnerinnen und -Bewohnern. Also packen wir die Gelegenheit beim Schopf und fragen bei Melanie Reber nach. Sie leitet seit Mitte 2022 das Treibhaus und weiss genau, was hinter den hellgrünen Mauern tagtäglich abläuft. 

 

 


 

Hallo Melanie. Herzliche Gratulation zu eurem Geburtstag. Habt ihr diesen toll gefeiert?

Danke für die Glückwünsche. Ja, wir haben gefeiert. Am 3. Mai stiessen wir gemeinsam mit vielen Treibhaus-Freunden auf unseren Runden an. Später genossen wir die zwei Konzerte von Mehltau und Losus Reynoso.

 

Das tönt jetzt sehr anständig…

Auf die ganz grosse Fete haben wir verzichtet; zugunsten mehrerer kleinerer Geburtstagsanlässe durch das Jahr hindurch. Unter anderem werden wir in diesem Jahr am «B-Sides Festival» auf den Sonnenberg und am «Funk am See» auf der Lidowiese vor Ort präsent sein. Dort betreiben wir jeweils die Festival-Garderobe. Jetzt, da das Treibbaus volljährig ist, darf es zwischendurch auch mal aus seinem Daheim ausbrechen.

 

Viele im Quartier sehen im Treibhaus vor allem eine Konzert- und Party-
Location.

Ich verstehe diesen Eindruck. Er stammtwohl von den ausverkauften Samstagabend-Partys und Konzerten mit jeweils über 300 Besuchenden und den langen Schlangen vor dem Eingang.

 

Das Treibhaus ist mehr! Primär sehen wir uns als ein Kulturlokal mit Räumen, Technik und Know-how. Diese stellen wir Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die etwas verwirklichen oder ausprobieren wollen, zur Verfügung. Hier können sie ihre Ideen umsetzen, ohne gleichzeitig ein finanzielles Risiko einzugehen. Und sie können vom Know-how unserer Profis profitieren. Das Treibhaus ist Spielplatz, Experimentierfeld und Ausbildungsort zugleich. Alles, was hier passiert, wird von diesen jungen Leuten gemacht. Unser Leitgedanke: Wir produzieren Kultur von Jungen für Junge.

 

Hast du uns einige Beispiele, was hier nebst den Konzerten sonst noch läuft?

Gerne! Unser Angebot ist sehr vielfältig: Kinderkaffee, Podiumsdiskussionen, Vereinstreffen, Töggeli-Turniere, Sitzungen des Kinderparlaments, inklusive Parties, gemeinsame Kinoabende, Public Viewing – gerade jetzt während der EM organisieren wir ein solches - und noch vieles mehr.

 

Die Partys sind übrigens stark rückläufig. Unsere Jugendlichen leben heute gesundheitsbewusster. Sie wollen am anderen Morgen keinen Kater mehr (…lacht).

 

Wer kann im Treibhaus mitmachen?

Alle Menschen zwischen 16 und 25 Jahren. Das ist unsere Zielgruppe.

Mehr als die Hälfte unserer Mitwirkenden engagiert sich als Veranstalterinnen und Veranstalter. Sie entwickeln und organisieren regelmässige Anlässe und Events, die im Treibhaus stattfinden. Meistens arbeiten sie in Teams. Sie tun das freiwillig und ohne Entschädigung.

…und die andere Hälfte?

 

Zu dieser gehören unsere Licht- und Tontechniker sowie das Bar-, Service-, Kassen-, Garderoben- und Büropersonal. Sie werden für ihre Arbeit entschädigt, entweder im Stundenlohn oder fix. Das Betriebsteam, die sogenannten «Betriebis», besteht aus 15 Personen.

 

Übrigens, das Treibhaus bietet auch verschiedene Ausbildungsplätze und Jahrespraktika an. Generell legen wir bei allen Jobs grossen Wert auf die Aus- und Weiterbildung. Damit machen wir unsere Mitarbeitenden für den Arbeitsmarkt fit.

 

Apropos-Geld! Ihr werdet von der Stadt finanziell unterstützt. Einen Teil müsst ihr aber selber verdienen?

Wir werden nicht nur unterstützt, sondern wir sind ein Teil der Stadt Luzern. Das Treibhaus gehört zur Abteilung Kinder Jugend Familie und läuft unter der Jugendförderung. Wir finanzieren uns aber zu einem Teil selbständig durch Veranstaltungs- und Gastroeinnahmen.

 

Seit rund zwei Jahren leitest du das Treibhaus mit seinen über 100 Mitwirkenden. Das stelle ich mir zeitweise recht chaotisch vor. Wie schaffst du das?

Selber chaotisch sein (lacht)! Im Ernst, ich habe gelernt, das Chaos zuzulassen und darin eine Struktur zu finden. Am Ende klappt es dann doch - zumindest meistens.

 

Zudem pflege ich einen partizipativen Führungsstil. Das hilft. Der ist schon deshalb nötig, weil viele Mitwirkende freiwillig und ehrenamtlich im Treibhaus arbeiten. Etwas anderes würde da kaum funktionieren.

 

Das Treibhaus und seine Vorgängerin, der «Wärchhof», erlebten immer mal Aufs und Abs. Bist du zufrieden, wie es aktuell läuft?

Letztes Jahr zählten wir an unseren Veranstaltungen rund 20'000 Leute. Und das ohne Mittagessen. Damit sind wir sehr zufrieden. Dennoch müssen wir unser Angebot anpassen. Wie schon erwähnt sind Partys bei jungen Menschen kaum mehr gefragt, auch gehen sie viel weniger in den Ausgang. Dafür läuft das Kreativprogramm am Samstagnachmittag aber sehr gut: Häkeln, Tätowieren, Karaoke, Tichu Turniere, Bienenhäuser bauen stossen bei den Jungen auf grosses Interesse. Wir werden uns im Sommer überlegen, wie wir unser Angebot verändern wollen.

 

Dürfen auch nicht mehr ganz junge bei euch vorbeischauen?

Absolut! Das ist uns sogar ein sehr grosses Anliegen. Viele kennen unsere Mittagsbeiz im wunderschönen Treibhausgarten. Diese steht der Öffentlichkeit aber auch am Morgen und am Nachmittag offen, das wissen relativ wenige. Und wir verfügen über vielfältige Räume, die zeitweise - wenn die Jungen zur Schule gehen oder schlafen – ungenutzt sind. Diese bieten wir sehr gerne auch anderen Quartierakteuren an. Es wäre mega schön, wenn wir uns in dieser Hinsicht noch viel stärker mit dem Quartier vernetzen könnten.

 

Du hast noch einen Wunsch an unsere Leser offen    

Unbedingt mal bei uns vorbeischauen. Wir sind von Dienstag bis Samstag offen.

 

 

Melanie Reber leitet das Jugendkulturhaus Treibhaus seit 2022. Melanie hat Design Management studiert und war davor Leitung Marketing und Kommunikation bei Radio 3FACH.