Ausgabe 2/2023

"We are the noise"

Doch Moment, wir sind nicht im San Siro Stadion bei der AC Milan. Aber die Farben rot-schwarz stimmen. Wir stehen «auf Tribschen», der Heimstätte des FC Kickers Luzern. Ein Fussballclub mit langer Geschichte und mehrfach

ausgezeichnetem Engagement in der Nachwuchsförderung.

von Valery Furrer

Der Verein, der kurz «Kickers» genannt wird, wurde im Jahr 1907 gegründet und blickt auf eine erfolgreiche Geschichte im Schweizer Amateurfussball zurück. Nach einigen Auf- und Abstiegen in der Vereinsgeschichte hatte der FC Kickers Luzern 2018 erneut den Aufstieg in die 1. Liga geschafft. Inzwischen spielt der Verein wieder in der 4. Gruppe der 2. Liga interregional. Zu den bekanntesten Spielern des Clubs gehört der ehemalige Junior Filip Ugrinic, der beim FC Luzern noch vor kurzem Publikumsliebling war und nun bei Young Boys Bern beidfüssig begeistert. Mit Sebastian Osigwe, der beim FC Lugano das Tor hütet, hat ein weiterer früherer Kickers-Junior den Sprung in die Super League geschafft.

 

Treue Fangemeinde

Der FC Kickers Luzern ist für seinen starken Zusammenhalt innerhalb des Vereins bekannt. Gemäss Präsident Emanuel Willi gibt die starke Gemeinschaft den Mitgliedern viel zurück. Das sei bei grossen Clubs etwas anders. Dort sei man nur einer von vielen. Nicht nur die Spieler, sondern auch die Eltern schätzten das Gefühl des Aufgehobenseins sehr. Um die 1. Mannschaft hat sich eine kleine Fangemeinde gebildet, die ihre Mannschaft bei jedem Heimspiel lautstark anfeuert. Ganz nach dem Motto des Clubsongs der Kickers «we are the noise».

 

Vorstandsmitglied Roger Wicki sagt: «Seit dem Bestehen der Tribschenstadt haben wir ein Stammklientel, das uns unterstützt. Der Verein ist durch die Gentrifizierung des Quartiers gewachsen.» Doch wie bei vielen Vereinen hängt auch beim FC Kickers die Organisation und der Erfolg des Vereins von einigen wenigen Personen ab, die ein enormes Engagement an den Tag legen, sei es persönlich oder finanziell. «Das birgt auch immer ein Risiko. Im Jahr 2007 hatten wir eine massive finanzielle Krise, in der der Verein beinahe Konkurs gegangen wäre. Der Verein musste saniert werden», so Roger Wicki weiter.

 

«Ein moderner Mönch» 

Das Herz des Vereins ist seit Jahren Emanuel Willi. Mani, wie man ihn hier nennt, gibt für den Verein alles. Emanuel Willi ist seit über 40 Jahren im Verein tätig und hat in dieser Zeit fast alle möglichen Funktionen ausgefüllt. Im September 2022 wurde er nun einstimmig ins Präsidentenamt gewählt. Sein Vorstandskollege Roger Wicki sagt über Emanuel Willi: «Für mich ist Mani so etwas wie ein moderner Mönch. Er lebt für den Verein und ist ein Mensch mit tiefen Überzeugungen. Die Junioren sind seine Kinder.» Emanuel Willi ist ein charismatischer Mann mit einer ruhigen Art. Er spricht gerne über den Club und seine Bedeutung für das Quartier, aber auch für Kinder aus anderen Teilen Luzerns. Der Club lebt eine Willkommenskultur, die ihm sehr am Herzen liegt. Für sein Engagement und seine ehrenamtliche Arbeit bei den Kickers hat Mani Willi 2014 den von der IG Sport vergebenen Preis «Ehrenamtlicher des Jahres» gewonnen. Er arbeitet in einem 90-Prozent-Pensum als Sekundarlehrer im Schulhaus Tribschen und wohnt seit 5 Jahren auch im Quartier.

 

Gleich zwei Ehrungen 

Der Verein engagiert sich auch für Kinder mit einer Beeinträchtigung. Diese haben eine eigene Mannschaft, die «Special Kickers». Für dieses Engagement erhielt der FC Kickers den Sportpreis 2022 der Stadt Luzern. Der Preis zeichnet ausserdem die rege Zusammenarbeit mit anderen Vereinen aus. Für den Verdienst um die Special Kickers wurde dem Verein zudem der Anerkennungspreis 2022 der Albert Koechlin Stiftung verliehen. Dieser ist mit 30'000 Schweizer Franken dotiert.

 

Kickers erhalten Song 

Auf der Webseite des FC Kickers ist auch der Kickers-Song zu finden. Die Vereinshymne «We are the noise» wurde vom bekannten Luzerner Musiker Tobi Gmür geschrieben und aufgenommen. Entstanden ist das Lied, als der FC Kickers in die 1. Liga aufgestiegen ist. Gmür war regelmässiger Besucher «auf Tribschen». Damals wurde Gmür von Marco Liembd, der sich um das Marketing des Vereins kümmerte, mit der Idee angesprochen, einen Vereinssong zu schreiben. «Als ehemaliger E-Junior des FCK konnte ich einfach nicht Nein sagen», erzählt Gmür.  

Interview mit Emanuel Willi, Präsident des FC Kickers Luzern und Roger Wicki, Vorstandsmitglied im Clubrestaurant «Bunker».

 

Wie behauptet ihr euch als Fussballclub gegen den Konkurrenten SC OG, getrennt nur durch einen Hügel?

Mani Willi: Es gibt einen gesunden Wettbewerb. Das sehe ich  auch auf dem Pausenplatz der Primarschule. Die einen Kinder tragen eine Kickers-Mütze, die anderen eine OG-Mütze. Ab den C-Junioren entstand vor 15 Jahren die Idee der näheren Zusammenarbeit mit dem SC OG. Es entstand ein gemeinsames Team von Kickers und OG. Das Team OK (OG-Kickers). Die Zusammenlegung der Teams brachte einige Vorteile mit sich: So können alle Junioren in Teams spielen, die ihrem Leistungsvermögen entsprechen und mit zwei Rasenplätzen und zwei Kunstrasenfeldern kann während des ganzen Jahres trainiert und gespielt werden.

 

Roger Wicki: Bei den Seniorenteams war die Zusammenführung jedoch eher auf den Mangel an Mitgliedern zurückzuführen.

Im Fussball hat viel mit Vereinsidentifikation zu tun. Leidet diese unter der erwähnten Vermischung der beiden Vereine?

Mani Willi: Das Team OK ist bei den Junioren eine Marke. Wir haben eine Kleiderlinie mit dem entsprechenden Logo. Das fördert die Identifikation enorm. Was uns aber besonders verbindet, ist der Erfolg. Wir haben gemeinsam Hallenturniere, Cupsiege und Meisterschaften gewonnen. Das gemeinsame Erreichen von Zielen stärkt den Zusammenhalt. Seit der engeren Zusammenarbeit wird der Fussball ambitionierter betrieben. Andererseits muss darauf geachtet werden, dass sich die Mannschaftsmitglieder nicht «nur» als Team OK identifizieren, sondern auch mit ihrem jeweiligen Verein. Wir sind beide stolze Vereine. 

Warum kommen die Kinder zu euch in den Verein?

Mani Willi: Wir haben Kinder aus der ganzen Stadt Luzern, teilweise auch aus der Agglomeration. Da unsere Anlage im Gegensatz zu OG, Südstern oder LSC aber nicht unmittelbar bei einem Schulhaus liegt, müssen wir auf andere Art und Weise auf uns aufmerksam machen. Was uns auszeichnet, ist die Fussballschule, die wir am Samstagmorgen anbieten. Da ist jedes Kind willkommen. Es ist ein lockeres und kostenfreies Training für 5- und 6-Jährige. Für die Kinder ist die Fussballschule ideal zum Ausprobieren, für uns ist es natürlich auch schon Nachwuchsförderung. Die Mädchen und Jungs aus der Fussballschule wollen wir für einen Vereinsbeitritt und unsere F-Junioren begeistern. 

 

Roger Wicki: Mit der Fussballschule, aber auch mit dem Training für Kinder mit geistiger Behinderung haben wir uns einen guten Ruf erarbeitet und eine Willkommenskultur geschaffen.

Hier endet das Gespräch mit Mani Willi, er muss zurück zu seiner Klasse. Roger Wicki hat noch einen Moment Zeit.

Was bedeutet dieser Verein für Mani?
Roger Wicki: Mani ist auf Tribschen zuhause. Als er 1981 mit der Familie nach Luzern zog, fand er als Zürcher beim FC Kickers eine neue Heimat, traf spannende Menschen und konnte schon früh Verantwortung übernehmen. Zusammen mit dem Basler Robi Laurent versucht er, den Verein am Laufen zu halten. Schön, dass ehemalige Junioren wie Yonas Kidane, Jan Fischer oder Luca Glatt nun nachrücken und immer mehr Aufgaben übernehmen wollen. Und doch ist Mani der eigentliche Motor, der alles am Laufen hält. Für mich ist er eine echte Persönlichkeit. 

Was ist dir wichtig für die Zukunft?

Roger Wicki: Was der FC Kickers anpacken muss, ist der Frauenfussball. Wir hatten drei Jahre lang ein Frauenteam, das wir aber auflösen mussten, weil wir immer zu wenige Spielerinnen hatten. Wir haben die Auflösung des Teams sehr bedauert. Mädchen, die Fussball spielen, haben wir, aber sie spielen mit den Jungs zusammen. Irgendwann geht das nicht mehr und dann gehen sie zum FCL. Wir brauchen ein Konzept, wie man den Frauenfussball von Grund auf fördern kann. Diese Forderung wird auch politisch kommen. Im Moment fehlen noch die Ressourcen. Der Frauenfussball wird noch mehr an Bedeutung gewinnen und muss deshalb auch Teil der Zukunft unseres Vereins sein.