Ausgabe 2/2022

Unser Standort ist die DNA unseres Unternehmens

von Fredy Zurkirchen, Redaktion

 

Vom Kleinbetrieb zum international erfolgreichen High-Tech-Unternehmen

Mitten in der Weltwirtschaftskrise gründete Heinrich Schurter 1933 an der Tribschenstrasse 52 - in unmittelbarer Nähe zur heutigen IG Arbeit - in einer ehemaligen Holzwerkstatt einen kleinen Betrieb zur Herstellung von elektrischem Sicherungsmaterial. Die Gründung entstand aus der Not heraus. Heinrich Schurter war gelernter Werkzeugmacher. Wie viele andere Industriearbeiter hatte er seinen Job verloren. «Heiri fang du selber etwas an», ermunterte ihn seine Gattin. Das Geld dafür borgte er von seiner Mutter und Schwiegermutter. Bankkredite gab es in diesen schweren Zeiten kaum. Zu Beginn musste die Familie den Gürtel enger schnallen. Sohn Robert durfte fortan nur noch in die Tribschenbadi. Dort kostete der Eintritt 15 Rappen und somit dreimal weniger als im «nobleren» Seebad am Nationalquai. Schon ein Jahr später beschäftigte die junge Firma nebst dem Gründerpaar 12 Mitarbeitende und einen Vorarbeiter. Heinrich Schurter konnte sich einen Monatslohn von 600 Franken auszahlen. Das reichte zum Leben.

Heute zählt die Schurter-Gruppe über 2'000 Mitarbeitende, davon etwa 400 allein in Luzern. Mit 21 Gesellschaften in total 17 Ländern erwirtschaftet das Unternehmen einen Umsatz von nahezu 300 Millionen Franken.

 

Insgesamt drei Generationen der Familie Schurter lenkten während über 80 Jahren die Geschicke des Luzerner Elektronikbauers. 2015 wurde mit Ralph Müller die operative Leitung erstmals in familienfremde Hände gelegt. An den Besitzverhältnissen hat sich aber nichts geändert. Das Unternehmen ist auch heute noch vollständig im Familienbesitz. Im nächsten Jahr feiert man das 90-jährige Bestehen: zwar nicht mehr am ursprünglichen Gründungsort, aber nur einen Steinwurf davon entfernt.

 

Mit «Weitsicht» in die Zukunft.

«Hier, wo wir jetzt stehen, hätten wir vor zwei Jahren noch keinen festen Boden unter den Füssen gehabt», erfahre ich auf meinem Rundgang durch das Unternehmen. Erst im 2020/21 wurden im Rahmen des grossen Erweiterungs- und Modernisierungsprojekts «Weitsicht» die beiden Gebäudeteile miteinander verbunden. «Die Räumlichkeiten stammten noch weitgehend aus den Vierzigerjahren und waren teilweise in die Jahre gekommen. Auch der Platz wurde knapp.» Gleichzeitig hat man das Gebäude B um drei Stockwerke aufgestockt und alles modernisiert. Rund 3'000 m2 neue Fläche sind entstanden. Zirka 23 Millionen Franken wurden investiert. Im letzten September 2021 konnten die Gerüste wieder abgebaut werden. Während der ganzen Bauzeit musste die Produktion immer aufrechterhalten werden können, was das Projekt sehr komplex machte.

 

Ich bin überrascht wie modern, «clean» und ruhig sich die Räumlichkeiten präsentieren. Schliesslich handelt es sich hier um ein Industrieunternehmen, wo elektronische Industriekomponenten hergestellt werden.

«Achten Sie auf die gelbe Linie am Boden. Sie sollten sie nicht übertreten». Fasziniert beuge ich mich über einen Produktionsroboter. Im Sekundentakt setzt er verschiedene Einzelteile zu fertigen Sicherungen zusammen. «Diese werden beim Endkunden in die Stecker von Handy-Ladekabeln eingebaut», erklärt man mir. Es ist nur eines von vielen Produkten, die hier in Luzern für eine sichere Stromzufuhr produziert werden: nebst Sicherungen sind es auch Stecker, Schalter und EMV-Produkte gegen elektrische und elektromagnetische Störungen. Schurter liefert elektronische Komponenten in die ganze Welt und an die unterschiedlichsten Branchen: Automobilindustrie, Daten- und Kommunikation, Luft- und Raumfahrt, Energietechnik und Industrieelektronik. Viele Schurter-Komponenten finden später in den Endprodukten den Weg wieder zurück in die Schweiz. Auch in vielen Quartierhaushalten stehen sie täglich im Einsatz: in Kaffeemaschinen, Staubsaugern, Bügeleisen oder vielen anderen Geräten.   

 

Einen Stock höher treffen wir eine Mitarbeiterin, die gerade eine neue Produktionsmaschine fertigstellt. Bald wird diese Sicherungen für einen amerikanischen Mobiltelefonhersteller fertigen. Viele Maschinen, mit denen Schurter produziert, werden in Luzern von eigenen Ingenieuren und Konstrukteuren entworfen und zusammengebaut. «Für uns ist es wichtig, den ganzen Fertigungsprozess von A-Z im Griff zu haben.» 

Unser Rundgang endet im neuen Personalrestaurant. Es ist geräumig und hell. Da und dort öffnen sich gemütliche Sitznischen. Durch die grosszügige Fensterfront hat man einen wunderbaren Blick auf die Rigi und über unser Quartier. Im Sommer lässt sich das Mittagessen oder der Pausenkaffee auf der Terrasse gar unter freiem Himmel geniessen. Ein wirklich schöner Ort, der auch manchem Punkterestaurant gut anstehen würde.

«Der Erweiterungsbau ist ein Meilenstein für unser Wachstum und unsere erfolgreiche Zukunft», sagt Christian Holzgang, CEO der Schurter AG seit 2015. «Grösse ist für uns wichtig, weil viele unserer internationalen Kunden darauf achten, dass ihre Partner und Zulieferbetriebe eine gewisse Mindestgrösse haben. Sie müssen lieferfähig sein. Wären wir kleiner, hätten wir weniger Chancen, mit Firmen wie Siemens oder namhaften Mobiltelefonproduzenten zusammenzuarbeiten.»

 

Die neuen Kapazitäten helfen Schurter auch, Opportunitäten zu nutzen, meint Christian Holzgang. «Immer wieder suchen Firmen nach alternativen Lieferanten oder neuen Problemlösern. Für solche Gelegenheiten wollen wir bereit sein, und wir müssen dafür Reserven haben. Das kann der Anfang von neuen attraktiven Partnerschaften und Geschäftsfeldern sein.»

 

Schurter investiert viel in seine Zukunft als gesamtheitlicher Problemlöser. Vermehrt will man für seine Kunden auch fertige Produkte assemblieren; immer aber sollen darin auch Schurter-Komponenten verbaut werden. Christian Holzgang zeigt mir als Beispiel eine elektrische Milchpumpe eines grossen Zuger Medizintechnikunternehmen. Das ganze Engineering, die Planung und Projektleitung für das Produkt erfolgte hier in Luzern; zusammengebaut wird sie an anderen internationalen Schurter-Standorten.

 

Standortattraktivität ist ein wichtiger Erfolgsfaktor.

Als weltweit operierendes High-Tech-Unternehmen besteht ein hoher Bedarf nach gut ausgebildeten Fachkräften. Gerade hier spielt gemäss Christian Holzgang der heutige Standort mitten in der Stadt Luzern eine wichtige Rolle. «Unser Commitment zum Werkplatz Luzern und zu Tribschen hat nicht nur mit Familientradition zu tun. Es gibt auch gute kommerzielle Gründe.  Wir stehen mit zahlreichen Zentralschweizer Industrieunternehmen wie Maxxon, Pilatus, Dätwyler und anderen in Konkurrenz um gut qualifizierte Fachkräfte und Talente. Ein attraktiver Arbeitsplatz und -ort spielt bei der Wahl des Arbeitgebers eine sehr wichtige Rolle. Mit der Nähe zum Bahnhof, den modernen Arbeitsräumen und unserer Lage in einem attraktiven Quartier mit umfangreichen Erholungs-, Sport-, Einkaufs- und Unterhaltungsmöglichkeiten, haben wir sehr starke Argumente.

 

Die Beziehungen zum Quartier waren der Firma Schurter schon immer wichtig. Auch heute zeigt man sich Quartierthemen gegenüber unverändert offen und interessiert: viele Mitarbeitende wohnen hier oder verbringen einen Teil ihrer Freizeit in lokalen Vereinen, darunter auch Mitglieder der Familie Schurter. So fördert man u.a. lokale Sport- und Kultureinrichtungen. Zudem setzt sich das Unternehmen dafür ein, die Belastung im Quartier durch den motorisierten Verkehr zu senken, etwa durch Förderung des ÖV, Schaffung von E-Bike Angeboten für Mitarbeitende oder die Auslagerung der Hauptsitz-Logistik an einen externen Partner. Dadurch liess sich der An- und Ablieferverkehr an der Werkhofstrasse massiv reduzieren.